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Erfordernisse an die Lehrkraft

Mit dem Blick auf die Kompetenzbereiche, die eine (angehende) Lehrkraft im sonderpädagogischen Kontext entwickeln sollte, wurden 2020 die EAusbildungsstandards der Seminare für Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte in Baden-Württemberg aktualisiert. Die Ausbildungsstandards (syn. „Kompetenzkompendium“) beschreiben sowohl förderschwerpunktunabhängige Kompetenzen als auch Spezifikationen, die für eine Lehrkraft im Kontext des Förderschwerpunkts Lernen relevant sind.

Folgende Kompetenzbereiche werden dabei in den Blick genommen:

  1. Beziehungen gestalten und erziehen
  2. Diagnostizieren, sonderpädagogische Maßnahmen planen und umsetzen
  3. Unterrichten
  4. Kooperieren und Beraten
  5. Schule mitgestalten
  6. Berufs- und Rollenverständnis entwickeln

Die genannten Kompetenzbereiche können wie folgt -exemplarisch und zugleich pointiert- ausdifferenziert werden.

1. Beziehungen gestalten und erziehen

Die Lehrkräfte …

  • reflektieren ihr eigenes Beziehungs- und Erziehungskonzept und erkennen ihre Anteile für die Gestaltung gelingender Beziehungen (vertrauensvolles, wertschätzendes Miteinander, ausgewogenes Nähe-Distanz-Verhältnis, Herzlichkeit und Wärme, etc.)
  • können verlässliche Beziehungen zu Schüler: innen gestalten.
  • können Erlebens- und Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen
  • arbeiten dialogisch und kooperativ mit den am Bildungsprozess beteiligten Personen zusammen.

2. Diagnostizieren, sonderpädagogische Maßnahmen planen und umsetzen

Die Lehrkräfte …

    • klären ihren Auftrag.
    • formulieren und analysieren eine diagnostisch relevante Fragestellung
    • wählen passende diagnostische Methoden aus
    • erklären die relevanten Zusammenhänge theoriegeleitet und formulieren Erklär-Hypothesen
    • leiten daraus passende Ziele und individuelle Bildungs- und Erziehungsangebote ab, setzen diese um und überprüfen sie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.
    • dokumentieren in geeigneter Form den Prozess.

3. Unterrichten

Die Lehrkräfte…

  • kennen pädagogische und didaktische Qualitätsbereiche und können diese zielgerichtet einsetzen und reflektieren (Beziehungsgestaltung, Kognitive Aktivierung, Konstruktive Unterstützung und Strukturierte Klassenführung).
  • kennen förderschwerpunktspezifische Qualitäten und können diese passgenau einsetzen und reflektieren.
  • kennen grundlegende fachdidaktische Modelle und Konzepte und können diese passgenau einsetzen und reflektieren.
    • beziehen fachwissenschaftlich relevante Aspekte des Lerngegenstandes in die Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht ein.
    • verfügen über fachdidaktische Kompetenzen im Umgang mit Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb und bei Rechenschwierigkeiten und können daraus Schlüsse für ihr pädagogisches und didaktisches Handeln ziehen.
    • legen in Abhängigkeit vom Lerngegenstand oder Unterrichtsfach ein passendes didaktisches Modell für die Planung, Gestaltung und Reflexion von Unterricht zu Grunde.

4. Kooperieren und beraten

Die Lehrkräfte …

  • gestalten die kooperativen Prozesse (Qualitätsrahmen) mit allen am Bildungsprozess Beteiligten professionell (Wertschätzung, Transparenz, Verständlichkeit, Rollenklarheit, professionelle Auftragsklärung, Fachexpertise, Berücksichtigung normativer Vorgaben, Nutzen von Unterstützungssystemen, Wissen um Netzwerkstrukturen, Prozessreflexion und -evaluation, Dokumentaion, etc.).
  • gestalten Gesprächs und Beratungssituationen professionell (Qualitätsrahmen) (Wertschätzung, Transparenz, Verständlichkeit, barrierefreie Kommunikation, Strukturierung, Zielorientierung, Fachexpertise, Anwendung von Gesprächstechniken, Reflexion und Dokumentation, etc.)

5. Schule mitgestalten

Die Lehrkräfte

  • kennen die schulischen Gremien und wirken punktuell aktiv mit.
  • gestalten das Schulleben aktiv mit.
  • beteiligen sich an schulischen Entwicklungsprozessen.
  • kennen Verfahren und Instrumente der Selbst- und Fremdevaluation und setzen diese bedarfsorientiert ein. (Referenzrahmen Schulqualität BW)

6. Berufs- und Rollenverständnis entwickeln

Die Lehrkräfte …

  • reflektieren ihre biografischen Erfahrungen.
  • kennen eigene Bindungsmuster und Triggerpunkte.
  • können eigene Praxissituationen in ihrer Wirksamkeit theoriegeleitet reflektieren.
  • können (gesundheitlich) belastende Faktoren des beruflichen Handelns erkennen, reflektieren und Lösungsansätze im Sinne der Selbstfürsorge entwickeln und umsetzen.
  • können unterschiedliche Rollen situationsangemessen einnehmen

Um diese Kompetenzbereiche systematisiert individuell weiterzuentwickeln, sind unterschiedliche Formen der Organisation und der Dokumentation denkbar und erforderlich.
Im Kontext der Ausbildung am Sonderpädagogikseminar Freiburg werden z.B. Ausbildungsgespräche zwischen Lehramtsanwärter :innen (LAA), Mentor :innen, Schulleitungen und Ausbildungslehrkräften geführt, um im Spiegel des obigen Kompetenzkompendiums die individuellen Entwicklungsverläufe der LAA mehrperspektivisch zu reflektieren und zu dokumentieren, um in der Folge unterstützende Angebote zur individuellen Weiterentwicklung zu planen und umzusetzen.

Als Form der Dokumentation wird dafür ein auf das Kompetenzkompendium bezogener Protokollbogen (LERNEN / ESENT) verwendet.

Die Erfordernisse in der Arbeit mit jungen Menschen im Förderschwerpunkt Lernen beziehen sich selbstverständlich aber nicht nur auf einzelne Lehrkräfte, sondern auch auf die gesamte Schule in ihrer organisatorischen und strukturellen Ausgestaltung.


Autor: innen: Dr. Ralf Brandstetter, Manuel Binder, Lorenz Gitschier, Susanne Kröger, Birgit Mölich, Stephan Moers, Birgit Schick, Philipp Staubitz, Lutz Walter, Thomas Walter & Felix Weber - Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Freiburg, Abtl. Sonderpädagogik;
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Lizenz: CC BY SA 4.0

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