I 2 - Diagnostik

Die Ausbildung im Kompetenzbereich Diagnostizieren, sonderpädagogische Maßnahmen planen und umsetzen ist in der Seminarausbildung in den Ausbildungsformaten Erste Fachrichtung und Zweite Fachrichtung curricular verankert. Grundsätzlich bedarf eine an den spezifischen Bedürfnissen junger Menschen mit Behinderung ausgerichtete Pädagogik eine Diagnose geleitete, entwicklungsorientierte Vorgehensweise. Somit sind diagnostische Prozesse Grundlage jeglichen sonderpädagogischen Handelns – in der Frühförderung genauso wie in den Bereichen schulischer und beruflicher Bildung.

1. Leitgedanken

Sonderpädagogische Diagnostik bildet sich in zwei Formen ab:

  1. Abklärung eines sonderpädagogischen Ressourcenanspruchs im Rahmen eines Feststellungsverfahrens (sonderpädagogisches Gutachten). Hierzu wurden gemeinsam mit der Schulverwaltung Leitlinien verabschiedet.
  2. Prozessorientierte sonderpädagogische Diagnostik im Rahmen von ILEB in frühkindlicher, schulischer und beruflicher Bildung.

In beiden Formen wird grundsätzlich das Ziel verfolgt, die individuelle Lernausgangslage eines jungen Menschen zu erfassen, um daran anknüpfend hypothesengeleitet in einem kooperativen Prozess mit den am Bildungsprozess Beteiligten Schlussfolgerungen für teilhabeorientierte Ziele und Bildungsangebote zu entwickeln.

Diagnostische Prozesse sind kooperativ, interdisziplinär und in Bezug auf die Sonderpädagogik selbst fachrichtungsübergreifend angelegt.

2. Leitziele

Die Diagnostik zur Anspruchsfeststellung verfolgt das Ziel im Rahmen einer Bildungswegeplanung die aktuelle Situation des Kindes zu beschreiben. Sie unterscheidet inwieweit ein Unterstützungs- und Beratungsangebot notwendig wird oder aber ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot. Die Prozessdiagnostik iniziiert, koordiniert und begleitet künftige Entwicklungs- und Bildungsprozesse des Kindes bzw. Jugendlichen im Rahmen einer individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung. Diagnostische Aussagen und Empfehlungen im Hinblick auf Unterstützungsmaßnahmen und Bildungsangebote erfolgen auf der Grundlage der in den Bildungsplänen ausgewiesenen Fachrichtungsspezifik der jeweiligen Förderschwerpunkte sowie der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF-CY).

3. Vereinbarungen zur Umsetzung

3.1 Art der Durchführung
I. Diagnostische Aufgaben

Jede/r LA bearbeitet sowohl in der 1. als auch in der 2.Fachrichtung eine diagnostische Aufgabe mit der übergeordneten Zielstellung ein Kind bzw. einen Jugendlichen darin zu unterstützen, seine Potenziale im Hinblick auf Aktivität und Teilhabe bestmöglichst zu entfalten. Handlungsleitend hierfür ist die Frage, wie sich diagnostische Erkenntnisse in sonderpädagogischen Kontexten didaktisieren lassen. In diesem Zusammenhang hat das bio-psycho-soziale Modell der ICF-CY die Funktion Brücken zu bilden zwischen dem, was beobachtbar ist und den zur Verfügung stehenden Theorie-Praxis-Konzepten. Die diagnostische Aufgabe hat schwerpunktmäßig zum Ziel angehende Sonderpädagogen innerhalb der beiden Kompetenzbereiche „Diagnostizieren, sonderpädagogische Maßnahmen planen und umsetzen“ sowie „Kooperieren und beraten“ zu qualifizieren.

Die diagnostischen Aufgaben strukturieren sich folgendermaßen:

  1. Formulierung einer diagnostischen Fragestellung
    • strukturiert die weitere diagnostische Vorgehensweise
  2. Fragestellungsanalyse
    • theoriegeleitet
    • strukturiert nach den Komponenten der ICF-CY
  3. Erhebung diagnostischer Daten
    • in unterschiedlichen Alltagssituationen
    • aus unterschiedlichen Perspektiven
    • strukturiert nach den Komponenten der ICF-CY
  4. Hypothesenbildung
    • Aktivität und Teilhabe, Körperfunktionen und ggf. –strukturen sowie Kontextfaktoren werden aufeinander bezogen und Hypothesen gebildet
  5. Kooperative Bildungsplanung
    • Ableitung von Zielen & Bildungsangeboten
  6. Individuelle Bildungsangebote
    • Berücksichtigung unterrichtlicher und außerunterrichtlicher Handlungs- und Erprobungsfelder
    • Reduzieren vorhandener Barrieren in den Kontexten
    • Einbezug der individuellen Voraussetzungen in den Körperfunktionen und ggf. -strukturen
    • Ggf. Berücksichtigung von Diagnosen nach ICD 10/DSM 5
  7. Leistungsfeststellung
    • Überprüfung der Wirksamkeit der Bildungsangebote
II. Feststellungsverfahren

Jede angehende Lehrkraft befasst sich im Rahmen ihrer Ausbildung fallbezogen mit den von der Schulverwaltung vorgegebenen Kriterien, die bei der Erstellung eines sonderpädagogischen Gutachtens zu beachten sind:

  1. Der Titel des Arbeitsergebnisses lautet „Sonderpädagogisches Gutachten“.
  2. Die Erstellung des Sonderpädagogischen Gutachtens erfolgt auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen (ICF-CY).
  3. Das Ziel des Sonderpädagogischen Gutachtens ist im Kern die einzelfallbezogene Abklärung, ob ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Unterstützungs- und Beratungsangebot oder ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot vorliegt.
  4. Der Adressat des Sonderpädagogischen Gutachtens ist zuvörderst die Schulverwaltung.
  5. Die sonderpädagogische Lehrkraft beschreibt den Bildungs- und Entwicklungsbedarf, erörtert Bildungsziele, schlägt Maßnahmen zur Erlangung dieser Ziele vor und gibt Hinweise zum elterlichen Erziehungsplan.
  6. Die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten, ggf. das Kind bzw. der Jugendliche selbst haben das Recht auf Einsicht und Erläuterung des sonderpädagogischen Gutachtens.
  7. Die Hoheit in Bezug auf die Auswahl der diagnostischen Instrumente obliegt dem Gutachter.
  8. Die Organisation des Mehr-Augen-Prinzips im diagnostischen Prozess liegt in der Zuständigkeit der Schulverwaltung.
  9. In Bezug auf die Formatierung des sonderpädagogischen Gutachtens gibt es keine Vorgabe. Neben Fließtext sind auch Tabellen und Grafiken möglich.
3.2 Institutionelle Einbindung

Die Inhalte der Ausbildung im Kompetenzbereich Diagnostizieren und sonderpädagogische Maßnahmen planen sind im Seminarcurriculum aufgeführt und verbindlich für die Ausbildung in Erst- und Zweitfach.

Organisatorisch ist die Ausbildung verortet in den Ausbildungsformaten Erste Fachrichtung und Zweite Fachrichtung. Der Qualitätsrahmen Diagnostische Prozesse gestalten in sonderpädagogischen Kontexten gibt eine kriteriengeleitete Orientierung zur Qualitätssicherung innerhalb der Ausbildung im Vorbereitungsdienst.

3.3 Wirkung

Die Ausbildung findet ab dem Kurs 2018/19 nach diesen Vereinbarungen statt.

Stand: Januar 2018

3.4 Beteiligte/Verantwortliche

Abteilung